Die Redaktionen der Rheinischen Post am nördlichen Niederrhein haben sich auf ein einheitliches Vorgehen in Sachen Wahlberichterstattung verständigt und haben den Kandidat:innen die Möglichkeit eingeräumt, sich anhand eines festgelegten Fragenkatalogs in ihren jeweiligen Lokalausgaben vorzustellen. Dafür haben die Journalist:innen der RP in Wesel einen Fragebogen erarbeitet. Die Vorgabe war, dass die Beantwortung der Fragen in jeweils maximal 3 Sätzen erfolgen sollte. Hier nun für alle Interessierten die Fragen und Antworten von Landtagskandidat Niklas Graf:
- Welches Ereignis hat Sie politisch geprägt?
Die Liste solcher Ereignisse ist nach knapp 14 Jahren als politisch aktiver Mensch auf Orts-, Kreis-, Landes- und Bundesparteitagen relativ lang. Eine der prägendsten Veranstaltungen für mich war allerdings meine erste Mitgliederversammlung bei den GRÜNEN in Dinslaken, bei der ich als parteiloser junger Interessierter direkt mitreden durfte, unglaublich freundlich aufgenommen und ernst genommen wurde und meine ersten Anregungen einbringen konnte. Da habe ich gemerkt, dass ich bei dieser Partei absolut richtig bin und dabei helfen möchte, dass sie so groß wie möglich wird.
- Welche Rolle spielen Ihre Eltern dabei?
Meine Eltern waren und sind immer politisch interessiert gewesen, aber haben mich in meiner Wahrnehmung nie aktiv in eine Richtung gedrängt. Mein Vater hat mir sogar erst nach meinem Parteieintritt erzählt, dass er früher Mitglied bei den JuSos und der SPD gewesen ist. Ich bin daher unglaublich dankbar, dass ich so frei meine eigenen politischen Wege finden konnte und gleichzeitig immer ehrliches Feedback bekomme.
- Von welchem Tier könnte der Mensch etwas lernen? Und was?
Wir können von vielen, wenn nicht sogar von allen Tieren etwas lernen können! Und haben dies auch während der ganzen Menschheitsgeschichte permanent getan. Das geht von Sozialverhalten und Familienwerten über Anpassungsfähigkeit bis hin zu einem Leben im Einklang mit der Natur oder der Symbiose mit anderen Lebensformen.
- Können Sie jemanden lieben, der aus Ihrer Sicht die falsche Partei wählt?
Es gibt für mich keine falsche Partei, solange sie sich für unsere gemeinsamen demokratischen Grundwerte einsetzt. Alle Meinungen sind wichtig und sollten fester Bestandteil unserer politischen Entscheidungen sein. Eine Person, die in diesem Sinne eine falsche Partei wählen würde, wäre für mich dann allerdings so weit weg von einem glücklichen gemeinsamen Leben, dass ich sie oder ihn wahrscheinlich nicht lieben könnte.
- Haben Sie wegen Politik schon mal einen Freund verloren?
Ich glaube, dass ich wegen meiner politischen Einstellungen oder Entscheidungen noch nie eine*n Freund*in verloren habe, aber das politische Engagement nimmt immer viel Zeit in Anspruch, welche ich dann nicht mit meinen Freund*innen verbringen kann. Echte Freundschaften halten das aber meiner Erfahrung nach aus.
- Halten Sie sich für einen guten Freund?
Die Frage können am Besten meine Freund*innen beantworten, aber ich versuche es auf jeden Fall zu sein. Besonders nach der anstrengenden Wahlkampfphase möchte ich aber auch zuerst wieder mehr Zeit mit den mir wichtigen Menschen verbringen. Der Kontakt ist zwar schriftlich und telefonisch immer da, aber sich zu sehen ist immer am wertvollsten.
- Mit welchem Ihrer Mitbewerber würden Sie am ehesten eine Radtour mit anschließendem Picnic machen?
Nach den bisherigen Gesprächen am Rande von Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen im Wahlkreis würde ich vielleicht am ehesten mit Christian Rösen oder Bettina Piechatzek eine angenehme Zeit bei einer Radtour verbringen. Bei allen Mitbewerber*innen kann ich mir allerdings gut vorstellen, dass wir gemeinsam auf Themen oder Ideen kommen würden, um für Dinslaken, Oberhausen oder NRW neue Projekte zu entwickeln.
- Was treibt Sie an?
Mich treibt der unbedingte Wille an, einen positiven Anteil daran zu haben, die Welt, in der wir leben, für alle Menschen und Lebewesen gerechter und ökologischer zu gestalten. Unsere Zeit ist kurz, aber nur, wenn wir sie sinnvoll und uneigennützig einsetzen, können wir am Ende sagen, dass unser Kapitel im großen Buch der Erinnerungen es wert war geschrieben zu werden.
- Welche Politikerin, welcher Politiker taugt für Sie zum Vorbild?
Es gibt viele Politiker*innen, die Bemerkenswertes oder Historisches geleistet haben und an denen ich mich gerne orientiere. Aber für mich sind besonders die ehrenamtlich aktiven Kommunalpolitiker*innen das Rückgrat unserer Demokratie, welche mitunter den größten Respekt dafür verdient haben, dass sie sich tagtäglich für ihre Stadt oder ihre Region einsetzen.
- Welches Buch muss man bis 30 gelesen haben?
“Der Alchimist” von Paulo Coelho und “Homo Deus” von Yuval Noah Harari finde ich sehr empfehlenswert. Es kommt aber sehr auf die Person an, welches Buch ich empfehlen würde. “Nathan der Weise” von Gotthold Ephraim Lessing oder “Komm, ich erzähl dir eine Geschichte” von Jorge Bucay wären weitere Bücher, die ich neben “Der Papalagi” von Erich Scheurmann zu meinen Lieblingsbüchern zähle.
- Welcher Song begleitet Sie gerade durch den Wahlkampf?
Ich bin zwar ein sehr musikbegeisterter und tanzfreudiger Mensch, aber einen “Themesong” für meinen Wahlkampf gibt es aktuell nicht. Für Anregungen bin ich allerdings jederzeit offen.
- Wenn Sie könnten, welches Problem würden Sie ein für alle Mal lösen und aus der Welt schaffen?
Die entstehende Ungerechtigkeit der Menschen untereinander durch eine zu hohe Ansammlung von Kapital und wirtschaftlicher und politischer Macht in den Händen von zu wenigen Menschen. Umweltprobleme und disruptive Einflüsse hängen direkt mit dieser Ungerechtigkeit zusammen. Es muss klar sein, dass Menschen, die hart arbeiten und gute Ideen haben, gerne finanziell reicher als andere sein dürfen. Die Verhältnisse, in die Menschen hineingeboren werden, dürfen aber niemals ihr Leben so sehr bestimmen, dass sie leiden oder diese Ungleichheiten nicht aus eigener Kraft aufholen können.
- Was läuft schief in diesem Land?
Wir leben meiner Meinung nach leider in einer Art “Trial and Error”-Gesellschaft und machen viel zu oft vermeidbare Fehler – so lange bis bereits erhebliche Schäden entstanden sind. Bevor wir gesellschaftlich einen vorteilhafteren Weg einschlagen, entstehen oft Pfadabhängigkeiten, Gewohnheiten und verfestigte Hegemonien, die nur langsam und mit mühevollen kleinen Schritten kollektiv in neue Bahnen zu lenken sind. Der größte Fehler besteht darin, dass wir in einer immer komplexeren Welt leben, aber nicht alle Menschen befähigen und motivieren, diese Strukturen zu erfassen und mitzugestalten.
- Was läuft besser als sein Ruf?
Die EU und insbesondere das Europäische Parlament. In meiner Zeit in Straßburg und Brüssel, aber auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Landtagsfraktion, als ich die Auswirkungen des Brexit auf NRW analysieren durfte bzw. musste, kann ich aus voller Überzeugung sagen: Europa und die europäische Politik haben viel mehr Aufmerksamkeit und positiven Zuspruch verdient. Für die europäische Presse gilt das gleiche, wobei es an einer mehr beachteten mehrsprachigen Medienöffentlichkeit wie beispielsweise “Euractiv” oder “arte” auf weiteren Sprachen fehlt.
- Wofür würden Sie auf die Straße gehen?
Ich gehe regelmäßig und aus voller Überzeugung auf die Straße. Zuletzt für den Erhalt des Sterkrader Waldes, die Unterstützung von FFF u.a. beim globalen Klimastreik, gegen den Braunkohleabbau im Rheinischen Revier, gegen den Krieg in der Ukraine und für eine solidarische Gesellschaft in Pandemiezeiten. Und wo immer es sein muss gegen rechte Hetze und Rassismus.
- Werden Sie eher über- oder unterschätzt? Was ist Ihnen lieber?
Das kann ich bei bestem Wissen nicht sagen, aber ich denke, es kommt sehr darauf an, wie gut mich die Menschen kennen. Je weniger die Menschen mich und uns GRÜNE kennen, desto eher glaube ich, dass wir unterschätzt werden. Gerade unsere Ratsfraktion in Dinslaken und unsere Landtagsfraktion leisten hervorragende Arbeit, welche leider noch deutlich bekannter sein könnte.
- Wann haben Sie zuletzt falsch gelegen?
Ich hoffe, dass ich falsch gelegen habe, als ich dachte, dass Mike Büskens zwar eine gute Wahl für Schalke ist, aber er nicht die große Wende schafft, um bei dem Punkterückstand doch noch aufzusteigen. Und ich habe damals mal gesagt, dass ich noch erleben werde, wie Schalke Meister wird. Daran, dass sie vielleicht Meister in der 2. Bundesliga werden, habe ich dabei allerdings nicht gedacht.
Wir liegen alle irgendwann mal falsch – es ist nur wichtig, es sich auch einzugestehen.
- Mit welchem Prominenten würden Sie gerne einen Kaffee trinken gehen – und was würden Sie ihr oder ihm erzählen wollen?
Mit António Guterres, dem UN-Generalsekretär, um gemeinsam über eine basisdemokratischere Ausrichtung der Weltgemeinschaft, globale Meinungsfindungsprozesse durch Urabstimmungen und etwa über die Möglichkeit einer Globalen Verfassung zu diskutieren. Juristische oder steuerliche Minimalkonsense wie die durch die G20 geplante globale Mindeststeuer um Steueroasen auszutrocknen, können der Anfang einer neuen geopolitischen Weiterentwicklung einer solidarischeren Staatengemeinschaft sein.
- Käseplatte oder Dessert?
Eine gute Käseplatte steht bei mir sehr hoch im Kurs. Gerne auch mit veganen Alternativen, die in den letzten Jahren immer besser geworden sind. Das gilt zwar auch beim Eis, aber Käse hat für mich auch einen gesellschaftlichen Aspekt, der beim Eis bei mir nicht so im Vordergrund steht.
- Schnaps oder Bier?
Auf jeden Fall Bier. Gerne auch mal nach dem Fußballtraining, einem gewonnenen Spiel, beim Lagerfeuer oder in einer unserer Kneipen der Stadt.
- Flugzeug oder Zug?
Solange es irgendwie geht immer Zug! Bei seltenen Flügen sollte es aber auch jeweils eine CO₂-Kompensation geben. Beispielsweise über Non-Profit-Organisationen wie Arktik, atmosfair, ClimatePartner, Klima-Kollekte, Klimamanufaktur, Myclimate oder Primaklima, welche alle über verschiedene Maßnahmen die klimaschädlichen Treibhausgase ausgleichen.
- Schwarz oder Rot?
Wenn das eine politische Frage sein soll, dann ist die Antwort GRÜN. Die politische Farbenlehre hat sich schon lange von einer Dualität verabschiedet. Leider erhalten wir GRÜNE aber noch nicht immer die Aufmerksamkeit, die wir uns aufgrund der engagierten und ambitionierten Arbeit in den letzten Jahrzehnten verdient haben – im Casino wäre ich eher beim Pokern.
- Wohin wollen Politiker eigentlich „die Bürger“ immer mitnehmen? Und warum?
Da es die oder den Politiker*in nicht gibt, würde ich für mich sagen, dass ich Bürger*innen immer mit an Bord nehmen wollen würde. Mein Ansatz ist es, Menschen dafür zu begeistern, mitzugestalten und mitzumachen. Egal ob bei uns GRÜNEN oder woanders und egal ob monothematisch, themenfeldbezogen oder breiter ausgerichtet – wichtig ist, dass mehr Menschen mitmachen und in dem Sinne ernsthaft “mitgenommen werden”.
- Welche Superkraft hätten Sie gern? Und warum?
Im politischen Kontext wäre Telepathie manchmal sehr hilfreich, aber ich würde mich wahrscheinlich für Zeitreisen entscheiden. Vielleicht bräuchte ich aber vorher auch noch eine Beratung, was alles zur Auswahl steht und nicht bereits durch Technik ausgeglichen werden kann.
- Warum ist Bahnfahren nicht unkompliziert und gratis?
Weil seit Jahrzehnten die falschen langfristigen Entscheidungen getroffen, Strecken stillgelegt oder falsche Investitionen und Umstrukturierungen getätigt wurden sowie immer wieder Personal in wichtige Funktionen oder an die Spitze der Bahn AG bestellt wurden, welche wie Ronald Pofalla, Hartmut Mehdorn oder Rüdiger Grube nicht vollkommen im Sinne einer echten Verkehrswende gehandelt haben oder sogar ausgewiesene Auto-Lobbyisten waren.
- Könnten Sie vollständig auf Flugreisen verzichten?
Ja, absolut, längere private Anreisen werden dadurch zu eigenen und neuen Geschichten – berufliche Treffen verlagern sich ins Digitale. Aber ich denke, dass zukünftig auch klimaneutrale Fernreisen mit geringen Reisezeiten und Kosten möglich sein werden. Für mich ist politisch zunächst wichtig, dass Regionalflughäfen ebenso wie Kerosin keine weiteren Subventionen erhalten.
- Wofür werden wir uns bei unseren Enkeln rechtfertigen müssen? Und: Finden Sie das fair?
Wahrscheinlich dafür, dass wir als Gesellschaft nicht noch mehr für’s Klima, für die ärmeren Regionen der Welt und für einen stärkeren kontinentalen wie globalen Zusammenhalt in EU und UN getan haben. Nicht nur vor unseren Nachkommen, sondern auch vor uns selbst müssen wir rechtfertigen, dass sich Lebensmittel-, Wasser-, Energie- und Bodenknappheit zuspitzen, Flucht und Kriege andauern und allein privatwirtschaftlich der Versuch vorangetrieben wird, endlich auf dem Mars leben zu können.
- Vermissen Sie Angela Merkel?
Sie war eine gute Kanzlerin, die mit dem Ausstieg aus der Atomkraft, ihren Entscheidungen während der Flüchtlingskrise und während der europäischen Finanzkrise in schwierigen Zeiten vieles richtig gemacht hat. Für ihr politisches und taktisches Gespür gebührt ihr als umsichtige und intelligente Politikerin viel Respekt. Ich glaube aber auch, dass wir mit anderen politischen Mehrheiten heute schon deutlich weiter sein könnten und diese Zeit können wir nicht zurückholen.
- Wann haben Sie das letzte Mal geweint?
Das ist mir tatsächlich eine zu persönliche bzw. private Frage. Meine engen Freund*innen und meine Familie kennen die Antworten. Das reicht mir und ich hoffe auch allen, die das lesen.
- Was ist Ihre schönste Kindheitserinnerung?
Es gibt viele schöne Momente, aber mit am schönsten war für mich das gemeinsame Reisen, Spielen im Garten oder das Kuscheln mit meiner Familie auf der Couch. Vielleicht noch mit Katzen oder Hunden in der Nähe.
- Welche Partei würden Sie wählen, wenn es Ihre nicht gäbe?
Laut Wahl-O-Mat für die diesjährige Landtagswahl die Tierschutzpartei mit knapp 90%. Das passt aber auch tatsächlich gut zu meinem Engagement in der Landesarbeitsgemeinschaft Tierschutzpolitik bei den GRÜNEN NRW, für welche ich als einer der vier Sprecher*innen aktiv sein darf. Jede*r Tierschützer*in sollte aber unbedingt uns GRÜNE wählen, damit wir mit diesen wichtigen Stimmen die Mehrheiten im Parlament bekommen, um mehr Tierschutz gegenüber SPD und CDU auch durchzusetzen.
- Wie viele Tage sind es noch bis zur Landtagswahl?
14 bzw. 15 Tage. Diese ausführliche Liste an Fragen kann mensch als ehrenamtliche*r Politiker*in leider nur am Wochenende bearbeiten. Gerade die vielen Nachmittags- und Abendtermine direkt nach der Arbeit nehmen gerade viel Raum ein. Es macht allerdings auch sehr viel Spaß, in den Austausch mit so vielen verschiedenen Menschen zu kommen.
- Was machen Sie am 15. Mai um 18 Uhr?
Wir machen gemeinsam eine größere Veranstaltung für alle Wahlkampfhelfer*innen und Unterstützer*innen. Nach so viel Einsatz, welcher sich über fast ein ganzes Jahr verteilt, soll allen nochmal richtig gedankt werden.
- Der nächste Ministerpräsident bittet Sie in die Landesregierung. Welches Ressort würden Sie am liebsten übernehmen – und warum genau dieses?
Wenn ich frei entscheiden könnte, welche Funktion ich in einer Landesregierung unter Mona Neubaur einnehmen dürfte, dann würde ich gerne das Amt als Chef der Staatskanzlei übernehmen. Als Politikmanager, Verwaltungsberater und aktuell als Fraktionsvorsitzender in Dinslaken liegt mir die strategische Planung und Kommunikation besonders nahe. Eine Rolle als Minister ist für mich zwar auch vorstellbar, aber der erste Wunsch wäre es überhaupt die Ehre zu bekommen, unseren Wahlkreis in dem hohen Haus vertreten zu dürfen.
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